Liebe Mitglieder der Evangelischen Kirchengemeinden in Binz, Zirkow und Lancken-Granitz! Liebe Gäste!
Und Ihre Kanzel? Wo steht die? So wurde ich einmal gefragt, als ich mich als Pastorin vorstellte. Nun, ich „habe“ ja nicht nur eine Kanzel, antwortete ich amüsiert, und die ich „habe“, benutze ich nicht alle. Die Binzer Kanzel mit dem Psalmwort am Fuß „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte“ ja, aber die Zirkower Kanzel in dem wundervollen Kanzelaltar aus dem 18. Jahrhundert würde mich so weit von der Gemeinde entfernen, daß es keine freundliche GottesdienstAtmosphäre wäre. Außerdem ist die Treppe ziemlich wacklig.
Und die älteste „meiner“ Kanzeln? Die in LanckenGranitz? Dort bräuchte ich wohl eine Fußbank im Kanzelkorb und die Gottesdienstbesucher bräuchten hinterher Physiotherapie, um den vom Hochschauen steifen Hals wieder loszuwerden. In LanckenGranitz und in Zirkow und auch in der Binzer Friedhofskapelle stehe ich einfach mit meiner Bibel in der Hand in der Nähe der Sitzbänke, gleichwohl mag ich alle drei Kanzeln wegen ihrer Geschichte.
Kanzel? Was ist das überhaupt für ein Wort? Ursprünglich wurde in der katholischen Kirche im Sitzen gepredigt, ex cathedra, vom Sitz aus, und die lateinische Predigt war kurz. Dann wurde der Ort der Verkündigung das Lesepult, der Ambo, oft mit den cancelli, den Altarschranken, verbunden. Das Wort Kanzel erinnert daran. Mit der Reformation bekam die deutschsprachige Predigt eine wichtigere Stellung im Gottesdienst als sie es in der katholischen Messe hat. Und die Kanzel bekam einen prominenteren Ort in Kirchenräumen, entweder an einer Säule oder einem Pfeiler oder, wie in Zirkow, über dem Altar. In Lancken-Granitz ist die Kanzel am südlichen Triumpfbogenpfeiler, ein Kanzelkorb mit Schalldeckel, um den Schall der Worte zu den Zuhörern zu lenken.
Am Schalldeckel steht die Jahreszahl 1598 und der Leitspruch für jeden Prediger, jede Predigerin: Gloria in Exelsis Deo – Ehre sei Gott in der Höhe. Im Rücken des Predigers, der Predigerin, sind die beiden Männer zu sehen, die der evangelischen und damit deutschsprachigen Predigt einen wichtigen Rückhalt gaben, Martin Luther und Philipp Melanchthon. Oder könnte diese kaum mehr sichtbare Figur auch der pommersche Reformator Johannes Bugenhagen sein? Der achteckige Kanzelkorb ist mit Ölbildern geschmückt: der Evangelist Matthäus mit dem Engel, Markus mit dem Löwen, im der Mitte Christus mit Weltkugel, dann Lukas mit dem Stier und Johannes mit dem Adler. Am Treppenaufgang ist Paulus mit Schwert und Bibel zu sehen und dem Hinweis, daß er sich entschieden hat, bei Christus zu sein (Phil.1,23). Dann kommt Johannes der Täufer, der auf das Lamm weist. Und dann der Pastor, der sich diese beiden wohl als Vorbilder erkoren hat: I P K = Pastor Johann Paul Kröger. An der Eingangstür zur Kanzeltreppe ist der Namensgeber der St. Andreas-Kirche zu sehen, der Jünger Andreas mit dem „Andreas-Kreuz“.
Der Jünger Andreas ist der, der immer eine Idee, eine Lösung, in problematischen Situationen hat. So erfahren wir es aus dem Evangelien. Eine Predigt kann nicht für alle Probleme des Lebens Lösungen anbieten. Eine Predigt kann auch nicht Sonntag für Sonntag alle Themen der Bibel und des Alltags umfassend behandeln, aber ermutigend soll sie sein, klärend und tröstend.
Ich freue mich über Sie, die aufmerksamen Predigthörerinnen und Predigthörer jetzt im Sommer und dann im Herbst. Zwischenzeitlich für meinen Urlaub gebe ich „das Kanzelrecht“ an gleich zwei Pfarrerinnen aus dem Rheinland ab, Gabriele Gummel aus Haan, und Almuth Voss aus Köln. Beide vertreten mich in der Zeit vom 31.8. bis zum 21.9.2025 und dafür bin ich sehr dankbar.
Ihnen allen einen gesegneten Sommer und Herbst!
Ihre Pastorin